Empört Euch!  Die AfD ist eine Alternative von gestern

headre-ulf-web-wasserWie so viele treibt mich die Diskussion, um die Bundestagswahl um. Und das Entsetzen, dass eine so nationalistisch und rechtsorientierte Partei wie die AfD tatsächlich so ernsten Zuspruch findet. Auf vielen Politikfeldern bietet sie keine Alternative und vor allem keine zukunftsfähige Alternative für Deutschland an, sondern ist wirklich eine Alternativen von gestern, wie Tilman Steffen am 8.9.2017 in seinem ZEIT Kommentar schreibt.

Ich selber bin als Wissenschaftler an weit über 50 EU Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt (gewesen), um einen Europäischen Hochschul- und Bildungsraum auf- und auszubauen. Ich bin überzeugt, dass die Europäische Einigung der richtige Weg ist und dass dieser bei der Kultur und einer gemeinsamen Bildungsidee anfängt, und eigentlich nicht erst bei einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik. Daher stehe ich für Europäische Integration durch Zusammenarbeit und Dialog und engagiere mich dabei. 

Da mich die Argumentation von Steffen überzeugt, gebe ich sie hier in Kurzform wieder: Mit Gauland, Meuthen, Steinbach, Farage und Weidel werben überholte Funktionäre für ein Europa der Vergangenheit. Ihnen fehlen die zukunftsfähigen Ideen. Die AfD strebt ein nationalistisches Deutschland an, das zeigt sich deutlich wie nie, wenn Vorstandsmitglied Alexander Gauland die türkischstämmige Integrationsministerin Özoğuz nach „Anatolien entsorgen“ will. Oder wenn Erika Steinbach vor Hunderten Zuhörern für die AfD wirbt, eine Rechtsradikale, die durch den Austritt aus der CDU ihrem Ausschluss zuvorkam.

Tillmann Steffen sagt zurecht, dass die außenpolitischen Ziele der AfD nur ins Gestern passen, sie stemmen sich gegen den europäischen Wandel der vergangenen Jahrzehnte: Die Partei wünscht sich ein Europa souveräner Nationalstaaten. Nicht nur internationale Vereinbarungen und Handelsabkommen, auch die europäische Integration in Wirtschaft und Politik will sie rückabwickeln. EU-Kommission, europäisches Parlament, die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee, Synergieeffekte zwischen den Ländern – all das würde mit der AfD hinfällig.

Man muss wissen: In der AfD-Welt würden Grenzposten die Bundesgrenze sichern, Landesverteidigung würde wieder zur allein nationalen Angelegenheit, rekrutiert würden die Truppe mittels der wiedereingeführten Wehrpflicht. Zusätzlich gäbe es Heimatschutzeinheiten oder ein Milizsystem, denn wie die AfD glauben machen möchte, steht der Feind seit der Flüchtlingskrise bereits im Land. Bundeswehreinsätze im Ausland, etwa in Krisenregionen, würden unmöglich, da sie zuvorderst „fremden Interessen“ dienen.

 Die AfD will die historisch gewachsene West-Orientierung Deutschlands aufgeben. Ich finde diese hingegen sehr wichtig. Wegen kultureller Unterschiede lehnt sie einen Beitritt der Türkei zur EU ab und will die Verhandlungen darüber abbrechen. Letzteres vertritt zwar mittlerweile selbst der SPD-Kanzlerkandidat, aber wegen der zu Tage getretenen Rechtsstaatsprobleme in dem Land – nicht, weil die Türkei kulturell nicht zu Europa passe. Ein wichtiger Unterschied!

Und auch darauf weist Steffen zurecht hin: Natürlich ist nicht alle gut gelaufen seit Gründung der EU –  wirtschaftlich schwache Staaten wurden in die Eurozone aufgenommen, wider besseres Wissen. Der notwendige Bürokratieabbau verschleppt sich seit Jahren. In der Flüchtlingskrise gelang es Schrittmachern wie Merkel nicht, alle EU-Mitglieder zur Solidarität zu bewegen.

Doch AfD-Politik würde Deutschland in die 1950er Jahre zurückwerfen, eine Zeit ohne einheitlichen europäischen Binnenmarkt, ohne Schengen-Freizügigkeit, ohne akademischen Austausch.

Eine Partei, die Rechtsradikale für sich werben lässt, hat keine Zukunft.
Für mich persönlich ist es in den letzten Jahren und Monaten wichtiger geworden, hierzu klare Stellung zu beziehen, und es nicht eine vagen Hoffnung zu überlassen, dass „es schon gut gehen“ wird und die AfD dank einer generellen Einsicht nicht gewählt wird. Insofern hat mich der Bundestagswahlkampf 2017 politisiert. Ich schaute in den letzten Wochen tatsächlich AfD Wahlkampfauftritte auf Youtube an, um nicht selber der manchmal ja tendenziösen und gefärbten politischen Berichterstattung der Zeitungen zu erliegen, aber ich weiß heute ganz sicher: Diese Partei ist keine Alternative für Deutschland. Es sind angstorientierte und rückwärtsgewandte Argumentationen, die immer genau einen Schuldigen haben: Migrant/innen.

Und mit Tillmann Steffen möchte ich bekräftigen: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass auch die AfD-Anhänger/innen, die heute Gauland, seiner AfD-Kollegin Weidel, Steinbach, Farage und all den anderen Wahlkämpfern zujubeln, irgendwann merken, dass sie in einem Nationalstaat nach AfD-Entwurf gar nicht leben wollen.  Denn ein solcher Staat nach AfD Vorstellungen würde uns und unsere Kinder einengen. Sie verstehen besser, dass die Vorteile europäischer Integration die Nachteile überwiegen und dass gesellschaftlicher Wandel nichts Verwerfliches ist. Kinder, die kein Verständnis mehr haben für die Höckianer, die Hetzreden halten. Kinder, die sich nicht an Minaretten stören.

Ich habe das Privileg gehabt, 2010 noch Stephan Hessel kennen zu lernen, den französischen Autor, KZ-Überlebenden und früheren Widerstandskämpfer, der 2013 mit 95 Jahren gestorben ist. Er hat an der Menschenrechts-Charter mitgeschrieben und sein Leben lang genau diese Werte hochgehalten. Der einstige Widerstandskämpfer und KZ-Überlebende wurde 2010 mit den beiden Essays Empört euch! und Engagiert euch! weltweit bekannt. Und genau darum ist es mir wichtig, mich zu empören!

Download „Empört Euch“ von Hessel:
http://jerome-segal.de/empoert_euch.pdf

Der von mir genutzte vollständige Originalartikel von Tillmann Steffen ist hier zu finden:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-09/nigel-farage-beatrix-von-storch-afd-berlin-wahlkampf/komplettansicht

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