Wissenschaftliche Weiterbildung – Bericht von der Tagung „Akademische Weiterbildung – eine Zukunftsaufgabe für Hochschulen“ der Friedrich-Ebert-Stiftung am 22.10.2015 in Berlin

Ich war am 22.10.2015 zu einer Tagung zum Thema „Akademische Weiterbildung als Aufgabe für die Hochschule“ auf eine dort stattfindende Podiumsdiskussion  eingeladen.

Die Mitschrift möchte ich hier zur Verfügung stellen, da sie einige meiner aktuelle Positionen gut wiedergibt. Sie wird insgesamt auch in einem Ergebnisbericht durch die Friedrich-Ebert-Stiftung zur Verfügung gestellt werden.

Weiterbildungsengagement von Hochschulen – Chancen und Herausforderungen: Bedeutung der Weiterbildung an Hochschulen

Lebenslanges Lernen. Die wachsende Bedeutung der Weiterbildung, die für alle Hochschulen eine wichtige Aufgabe darstelle, betonte Dr. Hans-Christian Ehlers, Vizepräsident der Dualen Hochschule Baden-Württemberg: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der lebenslanges Lernen in der Weiterbildung von einer Option zu einer Obligation wird, um Risiken am Arbeitsmarkt zu vermeiden.“ Wie von den Erziehungswissenschaftlern Jochen Kade und Walter Hornstein ausgeführt, werde Weiterbildung zukünftig zum Normalfall werden und unverzichtbarer Bestandteil der beruflichen Biografie sein.

In Zukunft wird ein episodisches Phasenmodell der Hochschulbildung üblich sein.

Neues Modell der Hochschulbildung. Auch sei davon auszugehen, dass sich das traditionelle Modell der Hochschulausbildung künftig verändert. Bisher werde das Hochschulstudium in der Regel als zeitlich abgegrenzte Phase absolviert, auf die eine Berufstätigkeit bis zur Rente folge. „In Zukunft wird ein episodisches Phasenmodell der Hochschulbildung üblich sein“, sagte Ehlers. Entsprechend müssten geeignete Angebote der Weiterbildung entwickelt werden. Seiner Ansicht nach sollten Hochschulen dabei eine tragende Rolle spielen. Eine zentrale Frage sei dabei, wie Hochschulleiter_innen und Hochschullehrende davon überzeugt werden können, dass sich die Hochschulen verstärkt in der wissenschaftlichen Weiterbildung engagieren müssen, um sich weiterentwickeln und zukunftsfähig werden zu können. Dazu gehöre zum Beispiel auch, Professor_innen, die vor allem an Forschung interessiert sind, zur Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen zu motivieren.

Neue Studierendengruppen. Ehlers hält es für notwendig, künftig im Studienangebot stärker heterogene Lebenssituationen zu berücksichtigen und sich auf Studierende einzustellen, die nach Familienphasen oder mehrjähriger Berufserfahrung ein Studium aufnehmen möchten. Dies sei an Hochschulen bisher nur sehr begrenzt möglich. Doch der Bedarf werde weiter steigen: Auch für Berufstätige mit Hochschulstudium sei davon auszugehen, dass berufliche Situationen Weiterbildung erfordern, etwa weil für ein konkretes Projekt oder eine bestimmte Aufgabe weitere Qualifikationen gebraucht werden. Dann käme schnell die Frage auf, ob eine Hochschule zu dem jeweiligen Thema passende Angebote bereithält. „Die lebensbegleitende Weiterbildung wird die große Aufgabe der Hochschulen sein“, sagte Ehlers. In diesem Gesamtblick werde auch klar, dass alle Hochschulen diese Aufgabe haben.

Die lebensbegleitende Weiterbildung wird die große Aufgabe aller Hochschulen sein.

Umdenken an den Hochschulen. Ehlers machte auch auf eine Besonderheit der wissenschaftlichen Weiterbildung an Hochschulen aufmerksam: „Im Weiterbildungsbereich befindet man sich nicht im Vollkostenbereich. Es ist ein ganz eigener Bereich, der nicht steuerfinanziert funktioniert, sondern eine wirtschaftliche Aktivität darstellt. Und das können staatliche Hochschulen nicht per se, das müssen sie erst entwickeln.“ Staatliche Hochschulen müssten hier ihre bisherige Denkweise umstellen, was auch einen starken Servicegedanken einschließt. Dafür müssten andere Angebote entwickelt und anderes Personal beschäftigt werden. Zudem seien andere Finanzierungsmodelle und Organisationsformen erforderlich, damit sich Hochschulen als Anbieter berufsbegleitender Weiterbildung erfolgreich etablieren können.

Die Duale Hochschule Baden-Württemberg. Ehlers gab einen kurzen Überblick über die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), die einen besonderen Bezug zur Praxis und zur Wirtschaft hat. Laut Landeshochschulgesetz (LHG) in Baden-Württemberg sind die dualen Partner (Praxispartner) per Gesetz Mitglieder der Hochschule. Sie bilden eine Statusgruppe der Hochschule und sind in allen Gremien vertreten; in Bezug auf die Professor_innen sind sie paritätisch im Senat und in den Fakultätsräten repräsentiert. Insgesamt hat die DHBW ca. 9000 duale Partner.

Bis vor vier Jahren habe das Thema Masterstudiengänge und Weiterbildung noch nicht auf der Agenda der DHBW gestanden, berichtete Ehlers. Dann hätten die dualen Partner in der Region gegenüber der Hochschule einen Bedarf artikuliert: Immer mehr Mitarbeiter_innen, die nach ihrem Bachelorabschluss an der DHBW eine Arbeitsstelle in einem Unternehmen in der Region angetreten haben, würden nach einer gewissen Zeit nach Möglichkeiten fragen, wie sie sich weiterbilden oder weiterentwickeln könnten, z. B. mit einem Masterstudium. Die Unternehmen haben diese Bachelorstudierenden während ihres Studiums sehr eng betreut, weil an der Dualen Hochschule ein verzahntes Studienmodell umgesetzt wird, bei dem die Studierenden in der Studienakademie und beim dualen Partner parallel ausgebildet werden. Diese Unternehmen hätten natürlich ein großes Interesse daran, diese qualifizierten Mitarbeiter_innen zu halten, so Ehlers. Deswegen war es aus Sicht der Unternehmen wichtig, dass die DHBW Masterstudiengänge und Weiterbildung anbietet – und zwar keine konsekutiven, sondern weiterbildende Masterstudiengänge und Weiterbildungsmodule, bei denen die Möglichkeit besteht, dass die Studierenden erst einmal Berufserfahrungen sammeln und langsam in ein Masterstudium oder eine Weiterbildung einsteigen können.

Neues Mastermodell. Die Duale Hochschule hat daraufhin ein Mastermodell konzipiert, das auf diesen Bedarf reagiert: Studierende können bereits nach einer einjährigen Berufstätigkeit in einen weiterbildenden Masterstudiengang einsteigen und einzelne Module belegen. Wenn sie nach einer gewissen Zeit einen Master machen möchten, können sie sich immatrikulieren und alle Vorleistungen anrechnen lassen. Dieses Modell habe für die dualen Partner der DHBW den Vorteil, dass den Mitarbeiter_innen, die als Bachelorabsolvent_innen im Unternehmen beginnen, die Option auf eine spätere Weiterbildung aufgezeigt und dabei Unterstützung angeboten werden kann. Die Beschäftigten können zu einem späteren Zeitpunkt eine Weiterbildung absolvieren – und zwar in einer Geschwindigkeit, die sowohl für die einzelnen Mitarbeiter_innen als auch für das Unternehmen machbar und sinnvoll ist. Auf diese Weise könnte sich die Hochschule mit den Bedürfnissen der Partner und der Studierenden ständig weiterentwickeln und sowohl allgemeine wie auch spezifische Themen anbieten.

Enge Zusammenarbeit von Praxispartnern und Hochschule. Nach Ehlers kann die Duale Hochschule in regionalen Entwicklungsprozessen eine sehr wichtige Rolle spielen, da die Hochschulstruktur einen „intimen Dialog“ mit den Praxispartnern als Mitgliedern der Hochschule befördert, seien es regionale Unternehmen oder Organisationen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen. Dies erläuterte er an einem Beispiel: Ein Personalverantwortlicher eines dualen Partners habe ihm gegenüber geäußert, dass in den nächsten zehn Jahren fünfzig Prozent der Belegschaft aufgrund der demografischen Entwicklung ausgetauscht werden müssten. Diese Aufgabe könne er nur bewältigen, wenn die Hochschulen Angebote machen, die das Unternehmen dabei unterstützen, Mitarbeiter_innen weiterzuentwickeln und neue Mitarbeiter_innen zu gewinnen. Dieser Prozess könne nur mit starken Hochschulpartnern an der Seite des Unternehmens gelingen.

Area-Konzepte und Modulwahlsystem. Auch an der Dualen Hochschulen Baden-Württemberg hat es bei Kooperationen mit der Wirtschaft ähnliche Fälle wie das geschilderte Beispiel gegeben: So hatte die DHBW z. B. einen Studiengang eingerichtet, der von großen Konzernen stark gefordert worden war, und einen anderen Studiengang, nachdem vor allem regionale Unternehmen großen Bedarf artikuliert hatten. Bei Studienstart lagen die Anmeldezahlen dann aber nur bei jeweils drei bzw. sechs Studierenden. Um diesem Problem grundsätzlich zu begegnen, hat die Duale Hochschule verstärkt „Area“-Konzepte in der Studienstruktur eingeführt.

Das Prinzip erläuterte Ehlers am Beispiel von drei MBM-Studiengängen (in den Bereichen BWL/Handel, Personalentwicklung und International Business). Ein Drittel der Studienmodule ist bei allen drei Studiengängen gleich, ein Drittel sind Profilierungsmodule der speziellen Studiengänge und ein Drittel ist für die Masterarbeit vorgesehen. Die meisten Studienmodule an der DHBW können in irgendeiner Weise polyvalent genutzt werden. Wenn Studiengänge aufgrund geringer Teilnehmerzahlen eingestellt werden müssen, können die Studierenden die meisten Module auch in anderen Studiengängen einsetzen und müssen ihr Studium nicht deshalb abbrechen. Auf diese Weise könne die Hochschule auch besser mit Konjunkturschwankungen umgehen, weil viele Kurse, Module und Lehrveranstaltungen flexibel zusammengestellt werden können, so Ehlers. Wenig nachgefragte Studiengänge können dann „downgegradet“ und in andere, gut laufende Masterstudiengänge integriert werden. „Flexible Lösungen in der Studienstruktur sind sehr wichtig“, sagte Ehlers.

Flexible Lösungen in der Studienstruktur sind sehr wichtig.

Darüber hinaus hätten Area-Konzepte und Modulwahl-Pools den entscheidenden Vorteil, dass für die Studierenden ein sehr breites Studienangebot aus einem Baukasten vorgehalten werden kann. Statt z. B. zehn völlig unterschiedlich aufgebaute Studiengänge im Bereich Wirtschaft oder BWL anzubieten, basieren diese zehn Studiengänge auf einem großen gemeinsamen Bereich. Auf dieser Basis können sich die Studierenden dann individuell in verschiedenen Schwerpunkten profilieren. Studierende, die als Arbeitnehmer_innen meist aus sehr unterschiedlichen Berufskontexten kommen, könnten in diesem Modell genau das vertiefen, was für ihren Berufskontext passt, zum Beispiel die Finanzierung in Großunternehmen oder internationale bilanzrechtliche Fragen. Solche speziellen Themen könnten in einem Curriculum nicht sinnvoll regelhaft untergebracht werden, so Ehlers, wohl aber im Rahmen eines Modulwahlsystems oder Area-Konzepts.

Ein Diskussionsteilnehmer merkte dazu an, dass der von Ehlers vorgestellte Ansatz interessant sei und sicher auch eine Risikominimierung für die Anbieter darstelle. Doch müsse die Institution dafür eine hinreichende Größe aufweisen: Für eine kleinere Hochschule oder Weiterbildungseinrichtung werde dieses Modell kaum infrage kommen.

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